<p class="ql-block">Endlich kann ich mich vor den Tisch hinsetzen und eine Tasse Tee aufgiessen. Die Energie, die mir tagsüber gefehlt hat, ist langsam wieder da. "Es darf mit dem Tee jeden Tag nicht fehlen." Das ist wahr. Von der Teezeremonie darf es keine Rede sein, ist wirkt mir eher zum Durststilen und zur Energieerg?nzung. Auf der Reise nehme ich immer mein Teeset mit einem Wasserkocher. Das Leben braucht Ritual.</p> <p class="ql-block">"Wie komisch und erstaunlich, Simone. Ich fühle mich so schwach und ersch?pft. Das City Walk ist bei weitem nicht so anstrengend wie die zehn Kilometer lange Wanderung auf der gro?en chinesischen Mauer. Und zwar heute früh habe sogar auf meine routinem??igen neun und neunzig Liegestütze verzichtet. Der Schlaf von heute Nacht ist auch gut. Die Unsicherheit führt zur Panik. Der TCM Arzt hat zu mir gesagt, all meine Organe sollen gepflegt werden. Die Chinesen scherzen: "Ich habe keine Angst vor Tod. Aber es muss mir klar sein, wie ich dazu gekommen bin." Uner der Sonne mit drei?ig Grad Tepreatur kommen wir durch die Stadt. Der Verkehr ist stark und ich bin schwach. "Bo, ich bin einverstanden. Die Unsicherheit bringt Furcht. Die empfindlichen Menschen wie wir brauchen mehr Energie. Auf der Gro?en Chinesischen Mauer kriegst du Energie von der Natur. In der Stadt hat man Eindrücke mit viel L?rm und Ger?usch, das verbraucht Energie. Mein deutsches Handy ist gesperrt. Ich habe keine Daten und keinen Kontakt mehr mit Zuhause. Ich bin in Panik getreten. Ich kann den Verlust meiner Energie spüren. Die medizinische Brühe, die der TCM Docktor vorgestern geschrieben hat, erg?nzt mich. Willst du ewas davon einnehmen? Ja, ich wei?, die Diaknose ist individuell, wir beide aber haben ?hnliche Probleme. Das kann dir helfen. "</p> <p class="ql-block">Der Tee vor mir riecht. Der Nachgeschmack liegt mir sü? in der Kehle. Die Energie kommt mir zurück. Der Wasserfall in der Parkanlage flie?t heftig durch meinen Kopf. Die Statue von dem einen der bekanntesten chinesischen Dichter Dufu aus der fernen Tang Dynastie kommt mir nah vor, als ich mit ihm reden k?nnte. Mir gibt es den Anschein, seinen Spuren gefolgt zu haben. Je l?nger ich mich hier verweile, desto mehr m?chte ich bleiben. Ich liebe die Freiheit in der Natur. Sie verschafft mir die Energie und das Glück. "Reich des himmlischen K?nigsreichs" ist wahr.</p> <p class="ql-block">"Sie lacht immer, wenn sie redet. Hast du bemerkt, Simone? Erst eben hast du mir darauf hingewiesen, da? die Chinesen wenig lachen. China ist doch das Land des L?chelns. Nur in manchen F?llen vergessen wir das." Hungrig sind wir in einem Restaurant herzlich begrü?t. Das Wort "Tian", also Himmel", spielt in China ungeheuer eine riesige Rolle. Das Essen ist für das Volk "himmlisch". Mein Magen knurrt zwar, aber meine Augen sind weit ge?ffnet, wenn die Dame mit einem Haufen Reis an unserem Tisch zum Erscheinen gekommen ist. Im Süden überhaupt ist anders im Restaurant als im Norden. In Beijing muss man den Reis nach der Portion mit bestellen. Hier im Reich des himmlischen K?nigreichs kann man immer nach holen, so viel wie man nur m?chte. "Oh, du liebe Zeit, das ist aber zu viel für uns beiden. Simone, ich glaube, sie ist heute unser guter Mensch. Du warst vorher noch unsicher. Nur niemals aufgeben! Nach dem wir die Energie erg?nzt haben, k?nnen wir mit der Dame ins Gespr?ch kommen."</p> <p class="ql-block">"Ihr habt erst eben gesagt, ihr seid doch sehr hungrig. Greift zu. Reis ist genug da. Unser Boss hat seit drei?ig Jahren bis jetzt neun Restaurans ge?ffnet." Wir sind am sp?ten Nachmittag die einzigen Kunden. Die Baustelle von der U-Bahnstation ist laut. Der Verkehr ist stark. Die Dame erh?ht ihre Stimme, um den L?rm zu übert?nen. Sie ist im Jahre der Ratte nach dem chinesischen Tierkreiszeichen in Nanchong geboren. Zwanzig Jahre lang hat sie als Wanderarbeiterin in Kanton gearbeitet. "Mein Sohn und meine Tochter sind verheiratet. Mein Mann ist als Schwei?er in Xinjiang auf der Baustelle t?tig. Er verdient 500 Yuan pro Tag. Ich bleibe hier in Chengdu. In Nanchong unserer Heimat haben wir einen Fischteich und Stückchen Ackerland. Damit kann man überleben. Wir wollen aber Geld verdienen für unsere Kinder, soweit wir noch k?nnen. Wir wollen ihnen keine Probleme bereiten. Wir dürfen nicht flach liegen. Deine Freundin spricht gutes Chinesisch." Sie starrt Simone an." Nein, sie ist nicht meine Freundin, wir wohnen nicht zusammen. Wir machen gemeinsamm durch Chengdu und Sichuan Urlaub. Und sie kann nur Nihao(Hallo) und Soba (auf geht's) in Chinesisch sprechen." Sie wirft ihren Blick skeptisch hin und her zwischen Simone und mich. "Das macht nicht. Du musst ihr viel beibringen. Man muss viele Freunde haben in der Gesellschaft. Meine Heimat ist sch?n, aber Chengdu ist die Hauptstadt der Provinz. Viele Ausl?nder kommen auch hierher zu arbeiten und reisen. An den Feiertagen sind wir voll besch?ftigt. Ich fühle mich hier wohl. Ich glaube, ihr müsst euch nicht gew?hnen mit dem Wetter. Im Süden ist feucht." Sie hat kleine z?rtliche Gestalt mit vollem Gesicht. Die Nachmittagssonne scheint auf ihre rote Wange. Nach dem Sch?nheitsideal der Chinesen hat sie ein Gedicht, das Glück für ihren Ehemann bringt. Ich denke, sie ist ein typisches Beispiel aller Mütter unter dem Himmel.</p> <p class="ql-block">Als ich mein Teegeschirr aufr?ume, habe ich ihr im Herzen die Daumen gedrückt. Gute Menschen werden vom Himmel belohnt.</p>